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               bauen und fliegen 4/2009, Fahrwerke für Grossmodelle
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Artikel: Fahrwerke für Grossmodelle

Robin Teil 1 12/2008              Robin Teil 2 1/2009

 

Wo rohe Kräfte walten...

Mit einer Glastar von Amelung Modellbau, die ein Gewicht von 10 kg auf die Waage brachte, hatte ich schon einschlägige Erfahrungen gemacht. Bei dem Modell war das Bugfahrwerk eine geschweisste Stahlrohrkonstruktion (Rohrdurchmesser des schräg nach vorne/unten verlaufenden Hauptträgers ca. 14mm), eine stabile Sache also. An einem schönen Sommertag blieb nach einem erfolgreichen Schlepp der Motor stehen, der Tank war etwas früher leer als gedacht. Eigentlich kein Problem, ich hatte noch genügend Höhe, teilte die Landung also sauber ein und setzte das Modell am Anfang der Graspiste auf... Leider sackte es ganz kurz vor dem Aufsetzten doch noch etwas durch, und das Bugfahrwerk wurde dabei etwas in den Boden gedrückt. Die Fahrt des rollenden Modells wurde dadurch stark abgebremst, gleichzeitig bohrte sich das Bugrad immer mehr in den weichen Boden. Es kam wie es kommen musste, die Glastar stand schon fast, da hob sich majestätisch das Heck und das Modell Überschlug sich, auf dem Rücken liegend kam es zur Ruhe. Zuerst waren keine Schäden sichtbar, bis mich mein Freund darauf aufmerksam machte, dass das Bugfahrwerk "komisch aussehe". Und wirklich, das Stahlrohr-Bugfahrwerk (Wandstärke etwa 0.75 mm) hatte sich beim Überschlag um gut 40° nach hinten gebogen, ohne dass ansonsten Schäden am Modell (z.B. dem Bugspant) entstanden wären! Ich hätte vor diesem Vorfall nie geglaubt, dass bei so einem "harmlosen" Vorfall solche Kräfte auftreten können. Aber 10 kg Modellgewicht und ein langer Hebelarm (Bugfahrwerk) haben mich eines Besseren belehrt.

Die Anforderungen

Da ich keine käufliche Version fand die mir zusagte, sah die Aufgabenstellung so aus, dass ein gefedertes Fahrwerk mit einer pneumatischen Radbremse gebaut werden musste. Es sollte nicht zu schwer werden aber trotzdem den auftretenden Kräften gewachsen sein. 
Die Materialwahl hat grossen Einfluss auf die Stabilität und das Gesamtgewicht des Fahrwerks. Aluminium stufen viele als leichtes, nicht allzu festes Material ein. Das stimmt bei manchen Alu-Legierungen durchaus, andererseits gibt es auch hochfeste Legierungen die gehärtet sind. Solche Werkstoffe erreichen Zugfestigkeiten, die einfachen Stahl sogar übertreffen können, bei geringem Gewicht. Ich habe mich für die warm ausgehärtete Legierung EN-AW-7075 entschieden, die sich gut bearbeiten lässt. Die Zugfestigkeit (Rm) dieser Legierung wird mit 360 - 540 N/mm2 angegeben. Diese braucht den Vergleich mit normalen "Baustahl" S235J2G3 (früher St 37-3) nicht zu scheuen, hier wird nämlich die Zugfestigkeit mit 360 - 540 N/mm2 angegeben, also annähernd gleich.

Der Grundkörper der Fahrwerksbeine ist ein Drehteil. Das obere Ende ist dabei, je nach Einsatz, als Hauptfahrwerk mit einem Flansch oder als einfacher Zylinder für das Bugfahrwerk ausgeführt. Die Federung hat mir einiges Kopfzerbrechen bereitet. Fahrwerke mit einfachen Druckfedern neigen in der Regel zum Springen, da sie nur eine geringe Dämpfung aufweisen. In meinem Fall wäre mir eine zusätzliche Öl- oder Luftdämpfung viel zu aufwendig gewesen (aber sicher machbar...). Ich habe mich deshalb dazu entschlossen das Hauptfahrwerk so auszulegen (einzustellen), dass es bei ruhendem Modell gerade eben eingefedert ist. Als Endanschlag kommen O-Ringe (Gummi) zum Einsatz. So werden die Landestösse sehr gut abgefangen, da die Räder als zusätzliches Dämpfungselement fungieren. Da das Hauptfahrwerk in der Regel "auf Anschlag einfedert", ist ein Springen bei der Landung nahezu ausgeschlossen.
Das Bugfahrwerk ist so ausgelegt, dass es im Stand noch einen Restfederweg aufweisst. Damit "arbeitet/federt" es beim Rollen am Boden wie beim Original, ohne dass es Probleme mit einem "springenden Modell" gibt. 
Um die Federn montieren zu können, habe ich am unteren Ende des Grundkörpers ein Feingewinde geschnitten. So kann eine Verschlussmutter einfach montiert werden. Natürlich wäre es auch möglich, eine Hülse mit Madenschrauben zu fixieren. Zusammen mit dem Achsträger und einer Distanzhülse im Grundkörper, kann man die Federeigenschaften (Spannlänge der Feder) anhand der zur Verfügung stehenden Federn leicht einstellen. In die untere Abschlussmutter ist zusätzlich noch ein O-Ring eingebaut, dieser verhindert ein zu leichtes Einfedern, da er durch die Reibung als Dämpfungselement fungiert.

Bei einem gefederten Fahrwerk ist die Führungsschere ein weiteres wichtiges Element. Ohne diese würde sich der Achsträger seitlich wegdrehen. Diese Einheit habe ich bei der Robin dreimal gebaut. Die erste Version war schlicht zu filigran aufgebaut. Sah im CAD gut aus, aber die Schrauben hatten in den Bohrungen der Haltelaschen keine ausreichende Führung und die Länge der Scheren war zu klein. Dadurch entstanden zu grosse Hebelkräfte und damit Spiel in den Bohrungen. Die Folge war, dass die Räder mehrere Grad hin und her drehten und überhaupt nicht in der Lage waren, die Spur zu halten. Die letzte Version sieht so aus, dass die beiden Schrauben mit denen die Führungsschere am Fahrwerk montiert, in gut 10 mm langen Bohrungen geführt sind. Am Achsträger habe ich das mit einem zusätzlichen Bauteil umgesetzt, dieses kann natürlich auch direkt in den Achsträger integriert werden. Der obere, feststehende Teil wird durch eine geschlitzte Hülse mit einer qualitativ hochwertigen Schlauchschelle am Fahrwerk fixiert. So kann die Radspur gut eingestellt werden, und gleichzeitig wird die untere Verschlussmutter des Fahrwerks gesichert. 
Die Führungsscheren sind aus normalen Messingprofilen gefertigt. Dabei ist das Risiko von mit der Zeit ausgeleierten Bohrungen geringer als bei etwas leichteren Alu-Profilen. Mit M3-Schrauben und Stoppmuttern sind die Führungsscheren so montiert, dass sie sich gerade noch bewegen können. Leichte Spannscheiben (DIN 137 B) sorgen zusätzlich für eine dauerhaft (nahezu) spielfreie Konstruktion. 
Die Radachsen und die zusätzlichen Stahlstifte, die ich in die Hauptfahrwerksbeine eingepresst habe (als zusätzliche Verstärkung), bestehen aus den Schäften von Schraubenziehern (FMT Baupraxis 1/2008 Radachsen für Grossmodelle). Die Radschuhe habe ich mittels am Achsträger angeschraubten Alu-Flachprofilen gut montieren können.
 

 

Die pneumatische Bremse

Schon länger setzte ich bei meinem grösseren, komplexen Modellen pneumatische Radbremsen ein. Sie beruhen darauf, dass ein flacher pneumatischer Zylinder das Rad seitlich an den äusseren Stellring drückt und so das Rad abbremst. Je nach Modellgrösse und Motorleistung kann damit das Modell bis mindestens 1/3 Gas mit der Bremse gehalten werden (wie bei meiner Robin mit einem 48 ccm Motor). Nach dem Aufsetzten blockieren die Räder beim Abbremsen nicht, die Modelle werden auf 20-40 Meter, je nach Gewicht und Geschwindigkeit, wie bei einem ABS-System abgebremst. Da durch den Luftdruck die Bremskraft auf beiden Seiten gleich ist, hatte ich auch noch nie das Problem, dass ein Modell durch asymmetrisches Bremsen seitlich ausgebrochen wäre, bzw. leicht unterschiedliche Bremswirkungen können gut ausgesteuert werden. Ein Modell mit einem 2-Beinfahrwerk aktiv zu bremsen ist wegen "Kopfstandgefahr" natürlich ungemein risikoreicher...

Der Aufbau einer solchen Bremse ist einfach. Im Wesentlichen sind es drei Drehteile und zwei O-Ringe. Die Bremsglocke habe ich in diesem Beispiel fest mit dem Achsträger am Fahrwerk verschraubt. Die beiden Senkschrauben sind dabei, mit 5-Minuten-Epoxi als Dichtung, verschraubt worden. Der Schlauchnippel ist ein kleines Messing-Drehteil mit einer 1-Millimeter-Bohrung, das von innen auch mit 5-Minuten-Epoxi verklebt wird. Idealerweise wird der Schlauchnippel dabei zusätzlich mit etwas Kraft durch die Bohrung geschoben (Presssitz). Da er von innen montiert ist, kann ihn der Luftdruck nicht herausdrücken, es müssen einzig die Kräfte bei der Schlauchmontage aufgenommen werden können. Die Bremsscheibe (oder Bremszylinder) der die Bremse abschliesst und beim Bremsen auch auf das Rad drückt, braucht eine Verdrehsicherung. Diese Funktion übernimmt eine kleine Schraube am Umfang, die auf der Rückseite mit einer kleinen Gewindehülse verschraubt ist. Diese Verdrehsicherung "greift" im montierten Zustand in eine entsprechende Bohrung in der Bremsglocke. Das Abdichten der Bremse erfolgt über zwei O-Ringe die in der Bremsscheibe eingebaut sind.

Ansteuerung der Bremse

Die Ansteuerung der Bremse ist über ein einfaches 4-Weg-Steuerventil für Einziehfahrwerke (hier von Robart) gelöst. So können die beiden Bremsen, eine Druckanzeige und ein Füllventil direkt an das Steuerventil angeschlossen werden. Im Betrieb ist es so, dass man den Drucktank einfach nachfüllen und den Druck an der Druckanzeige kontrollieren kann. Sobald die Bremse betätigt wird, fällt der Druck bei der Druckanzeige ab, und die beiden Bremsen stehen unter Druck. Es ist nicht möglich, den Drucktank mit aktiver Bremse nachzufüllen. Sobald die Bremse gelöst wird, das Ventil also wieder umschaltet, entlüften sich die beiden Bremsen innert weniger Sekunden und geben die Räder wieder frei. 
Der Luftverbrauch dieses Systems ist erstaunlich gering. In der Regel kann man rund 10x "auf die Bremse treten", also mehrere Flüge machen, bevor der Druck wirklich spürbar nachlässt (ich verwende einen kleinen etwa 0.2l grossen Drucktank). Trotzdem pumpe ich in der Regel vor jedem Flug wieder auf. Mit der Druckanzeige lässt sich sowohl die Bremswirkung als auch die Restluft im Tank einfach kontrollieren. Sollte das Modell zu hart abgebremst werden, reduziert man beim nächsten mal nachpumpen, einfach den maximalen Fülldruck.

Das Bugfahrwerk

Der Aufbau der Federung ist identisch mit jenem des Hauptfahrwerks, nur habe ich, sie etwas anders ausgelegt (nicht ganz durchgefedert im Stand). Die Herausforderung war dabei, eine möglichst spielfreien und robusten Anlenkung zu bauen. Da das Bugfahrwerk rund 200mm lang wurde, hätte sich grösseres Spiel in der Lagerung durch entsprechend starkes Wackeln des ganzen Bugfahrwerks bemerkbar gemacht. 
Eine rostfreie Stahlstange mit 8mm Durchmesser, ist oben mit insgesamt vier Madenschrauben in den zylindrischen Bugfahrwerksschaft eingesetzt (flach angeschliffen im Bereich der Schrauben). Bei dieser Stange handelt es sich um den Schaft eines Schraubenziehers (FMT Baupraxis 01/08 Radachsen für Grossmodelle). Der Lagerblock ist aus einer 12mm dicken Aluminiumplatte herausgesägt und wurde mit sägen, feilen und bohren "in Form" gebracht. Damit die Lagerung möglichst spielfrei wurde, habe ich eine Messinghülse gedreht, wobei der Aussendurchmesser mit minimalem Übermass zur Bohrung im Alu- Lagerblock gefertigt wurde. Der Innendurchmesser weisst 0.03 - 0.05 mm Spiel zur 8 mm Anlenkstange auf. So hat man nach dem Einschlagen/Einpressen der Messinghülse in den Lagerblock eine langlebige, nahezu spielfreie Bugrad- Lagerung. Oben und unten ist beim Lagerblock jeweils eine M8-Kunststoff-U-Scheibe eingelegt, um die Reibung beim Lenken zu minimieren. Ein grosser Stellring fixiert das Fahrwerk im Lagerblock. 
Die Anlenkung des Fahrwerks erfolgt über einen 60 mm langen GFK-Hebelarm und einem kräftigen Servo der "5-6 kg Klasse" (Anlenkung am Servo ganz Innen am Servohebel). So muss man nicht befürchten, das ständig das Servo in die Brüche geht und der Wendekreis ist trotzdem nicht zu gross. Den Anlenkungshebel habe ich aus einem Stellring und vier M3-Zylinderschrauben selbst hergestellt (ok vier sind schon etwas übertrieben, zwei bis drei hätten es auch getan). Der GFK-Hebel selbst ist aus einer 2 mm Platte geschnitten.

 


 
Was man braucht

Das wichtigste Werkzeug bei der Herstellung solcher Fahrwerke ist eine Drehbank, schon eine einfache Ausführung ohne Vorschub genügt. Eine kleine (günstige) Ständerbohrmaschine mit einem Maschinenschraubstock um die Teile zum Bohren einspannen zu können, erleichtert die Arbeiten ungemein. Wenn eine gute (!) Metallsäge und je eine gute (!) grobe und feine Feile vorhanden ist, kann man bei Aluminium gut auf eine Fräsmaschine verzichten. Dazu noch die Gewindebohrer für M3- und M4-Gewinde..., damit ist im wesentlichen die minimale Ausrüstung umschrieben.

Das Rohmaterial zum Drehen habe ich bei der "häuselmann metall GmbH" beziehen können, ähnliche Händler gibt es sicher auch in Deutschland und Österreich. Die Druckfedern stammen unter anderem aus verschiedenen Baumärkten, wo man sie in verschiedenen Ausführungen kaufen kann. Um die Federbohrungen in den Fahrwerken auslegen zu können, habe ich sie mit bekannten Gewichten belastet und die Längenänderung gemessen. So ermittelt man relativ einfach die sogenannte Federkonstante (das ist die Kraftänderung pro Millimeter, die man als lineare Konstante bei einer normalen Druckfeder anschauen kann)

Federkonstante in N/mm = Kraft in Newton (1 kg=9.81 N) geteilt durch den Federweg in mm

R [N/mm] = F [N] / s [mm]

O-Ringe findet man auch in Baumärkten, vorzugsweise in den sanitären Bereichen, wo vielfach "O-Ring-Reparaturset's" angeboten werden, mit Ringen in den verschiedensten Dimensionen. Das komplette Fahrwerk von besagter Robin wurde 0.92 kg schwer, ohne Räder und GFK- Radschuhe. Bei einem Modellgewicht von etwas über 15 kg ein nicht all zu schlechter Wert. Die Stabilität ist jedenfalls über jeden Zweifel erhaben und wurde auch schon unter Beweis gestellt (FMT 1/2009). Mit diesen Hilfsmitteln (Materialien) und mit der Beschreibung meiner Konstruktion, sollte es beim Auslegen und Entwerfen eigener Fahrwerke nach diesem Bauprinzip keine grossen Probleme geben. So kann man sein eigenes Fahrwerk an das jeweilige Modell anpassen (Grösse und Gewicht), und die zur Verfügung stehenden Druckfedern und O-Ringe berücksichtigen. Viel Erfolg!

 

Plan Bugfahrwerk hier downloaden 
(PDF)
Plan Hauptfahrwerk hier downloaden (PDF)

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Letzte Aktualisierung: 16. Mai 2014        

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